In meinen Deep Dives tauche ich so tief in Themen ein, bis ich keine Fragen mehr habe. In dieser Mini-Serie gehe ich allen Fragen rund um Koffein, Kaffee und Schlaf nach. Es geht ganz praxisnah um die richtige Dosis, aber auch um Geschichte, Chemie, Biologie, Medizin und vieles mehr.
Wenn Koffein in meinem Kreislauf so richtig loslegt, dann kann ich Bäume ausreißen und alles schaffen. Der mentale Nebel lichtet sich, eine berauschende Zuversicht erwacht in mir und mein Gehirn fühlt sich an, als ob es gerade nochmal 50 IQ-Punkte dazugewonnen hat. Nicht ohne Grund habe ich seit 10 Jahren ein Notizbuch voll von caffeine-fueled ideas. Und damit bin ich auf der Welt alles andere als alleine. Und das ist natürlich auch alles andere als eine Neuigkeit. Kaffee wird nicht erst von hippen Baristas zelebriert, Tee-Zeremonien gibt es schon seit rund 1.000 Jahren. Heute ist Koffein der beliebteste legale Neuro-Enhancer. Wir alle sind Teil der längsten und am wenigsten kontrollierten Drogenstudie der Menschheit.
Neuro-Enhancement
Die Einnahme von psychoaktiven Substanzen aller Art mit dem Ziel der geistigen Leistungssteigerung
Koffein beflügelt uns also seit Jahrhunderten und genauso lange erleben Menschen Koffein-Crashs, Ruhelosigkeit und ungewollt schlaflose Nächte. Ist das alles gesund? Wie funktioniert das Zeug überhaupt genau? Was macht Koffein mit meinem Schlaf? Und was ist besser: Kaffee, Tee oder Koffeintabletten? Obwohl ich es fast täglich nutze, hatte ich keine guten Antworten. Das ändert sich jetzt.
Ich möchte hier übrigens absichtlich die gesellschaftlichen, kulturellen und geschmacklichen Aspekte guten und schlechten Kaffees und Tees komplett außen vor lassen und mich darauf fokussieren, wie man langfristig das meiste aus gesundem Koffeinkonsum herausholt.
Was ist Koffein und wo kommt es her?
Pures Koffein ist ein weißes, kristallines Pulver mit ziemlich bitterem Geschmack – es hat also einen Eigengeschmack. Vielleicht erklärt das ein bisschen, warum Cola und koffeinfreie Cola unterschiedlich schmecken.
Auch wenn es so klingt, steckt Koffein nicht nur im Kaffee, sondern auch in Tee, Mate, Cola, Schokolade … und dann hast du sicher auch schonmal auf einer Packung „enthält natürliches Guaraná“ gelesen. Kaffeebohnen, Teepflanzen, Kolanüsse, Guaranásamen, Kakaobohnen und sogar Zitronenblüten enthalten auf ganz natürliche Weise Koffein. Insgesamt haben im Laufe der Evolution ungefähr 60 verschiedene Pflanzen unabhängig voneinander angefangen, Koffein zu erzeugen – und das interessanterweise auch noch über unterschiedliche biochemische Mechanismen. Warum? Die Pflanzen produzieren Koffein primär als Pestizid, das Insekten davon abhält, die Pflanze zu fressen oder zu verletzen. Die Wirkung kommt teilweise durch den bitteren Geschmack, für manche pflanzenfressenden Insekten ist die Substanz aber schlicht giftig.
In zu hohen Dosen gilt das übrigens auch für Menschen. Eine Dosis von 5 bis 30 Gramm pro Tag ist für Erwachsene sogar tödlich. 5 Gramm stecken beispielsweise in 15,5 Litern Red Bull.
In einer Studie1 wurde außerdem festgestellt, dass Koffein das Gedächtnis von Bienen dahingehend verbessern kann, dass sie den Geruch der Blüte besser mit dem süßen Geschmack ihres Nektars verknüpfen können. Dies könnte für die Pflanze ein Wettbewerbsvorteil in der Welt der Bestäubung sein und erklären, warum Koffein in niedriger Konzentration im Nektar bestimmter Blumen, wie der Zitronenblüte, zu finden ist.
Die Entdeckung des Koffeins
So, jetzt wissen wir, warum es Koffein ursprünglich gibt. Aber wie haben wir seine Wirkung für uns entdeckt?
Menschen haben vermutlich schon 3.000 vor Christus angefangen, Koffein über ihren Teekonsum zu sich zu nehmen. Tee beinhaltet übrigens pro Gramm mehr Koffein als Kaffee – wir verwenden pro Tasse aber mehr Kaffee als Tee. Der Beginn des Kaffeekonsums ist etwas schwerer eingrenzen, er begann wahrscheinlich zur Mitte des 15. Jahrhunderts in der Region des heutigen Yemen. Kaffee und Tee wurden damals vor allem wegen ihrer stimulierenden Wirkung getrunken.
Wer den Wirkstoff, also das Molekül Koffein, entdeckt hat, ist etwas umstritten. 1819 isolierte und beschrieb der Apotheker Friedlieb Ferdinand Runge, im Auftrag von Johann Wolfgang von Goethe, beinahe reines Koffein und nannte es „Kaffebase“. 1821 isolierte dann der französische Chemiker Pierre Jean Robiquet das erste reine Koffein und beschrieb seine Eigenschaften. Ihm wird deswegen meist die Entdeckung zugeschrieben. Unabhängig von ihm schafften zur gleichen Zeit Pierre-Joseph Pelletier und Joseph Bienaimé Caventou gemeinsam das selbe. Pelletier war dann der erste, der dem Molekül den Namen Koffein gab. Alle gewannen den Wirkstoff übrigens aus Kaffee – der Name war also naheliegend. Emil Fischer konnte dann 1895 das erste Koffein synthetisch herstellen. Heute ist „natürliches Koffein“ übrigens fast immer ein Abfallprodukt der Entkoffeinierung. Produkte „mit natürlichem Koffein aus Guaraná“ enthalten exakt das selbe Molekül, das auch durch die Entkoffeinierung von Kaffee oder Tee oder komplett synthetisch hergestellt wird.
Koffein-Doping
Zwischen 1984 und 2004 stand Koffein auf der Liste der verbotenen Substanzen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Ab 12 mg Koffein pro Milliliter Urin lag ein Verstoß vor. Das entspricht durchschnittlich 5 bis 8 Bechern Kaffee. Da Menschen Koffein aber unterschiedlich verstoffwechseln, war dies letztendlich eine unfaire Art, die Nutzung von Koffein zu kontrollieren und somit der Grund, es von der Dopingliste zu streichen. Somit kann man Koffein heute die letzte legale, leistungssteigernde Droge nennen.
Bei regelmäßiger Nutzung wirkt Koffein in der Leistungssteigerung der Muskeln übrigens weniger gut. Dann wirkt es vor allem in der Wahrnehmung von Anstrengung und Müdigkeit und kann so zu höherer Leistung führen. Sportler nehmen typischerweise zwischen 3 und 5 mg Koffein pro Kilogramm Körpergewicht zu sich.
1Caffeine in floral nectar enhances a pollinator’s memory of reward
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Interessant und gut be- sowie geschrieben. Weiter so!